Peking und Dalian China vom 05.09. bis 28.09.1993

Meine erste Reise ins Reich der Mitte – ein Land der Superlative: geschichtlich, zivilsatorisch, kulturell – und unglaublich rätselhaft.

Die Radio Factory Dalian hat wiedermal ein Support-Package für ihre Lizenzfertigung von elektronischen Steuerungen (Simatic PLC) gekauft. Die Delegation bestand wie immer aus Fertigungs-, Engineering- und Koordinationsexperten. Zeitlich waren vier Wochen vorgesehen.

(5.09.1993) Bereits bei der Ankunft am Flughafen Peking trifft man kompromisslos auf die andere Welt. Mehr schwerstbewaffenete Polizisten und Soldaten als Reisende und kaum Hinweisschilder in lesbarer Sprache. Die Zeit, in der China  alle Fremden aussperrte, scheint nicht allzulange zurückzuliegen. Dennoch soll der Öffnungsprozess eingesetzt haben – sonst wären wir wohl nicht hier.

Peking und die Chinesische Mauer

Dalian

(7.09.1993) Seit zwei Stunden sitzen wir im abgefertigten Flugzeug, doch ein Tanklastzug versperrt den Weg zur Startbahn und der Fahrer ist wohl zusammen mit dem Schlüssel verschwunden. 45 Minuten später erreichen wir Dalian, eine Hafenstadt mit etwa 6 Mio. Einwohnern.

Eine Fünf-Mann-Delegation der Radio Factory begrüßt uns und bringt uns direkt zum Holiday Inn, unsere Unterkunft in den nächsten drei Wochen.

Die Arbeit beginnt und vom ersten Tag an stellt uns die Factory Mr. Sun (Aufpasser, Kümmerer, Dolmetscher, Koordinator, …) zur Seite.

Es gilt die 6-Tage-Arbeitswoche, das ist nicht überraschend, aber dass der freie Tag ein beliebiger Wochentag sein kann, dann doch. Die Radio Factory hat, welch ein Zufall, den Sonntag als diesen bestimmt.

Unter die Kategorie Intensiveindrücke und Sitten zählen die Steh-Toiletten mit Einmalspülung am Tag,  Spezialitäten wie Hühnerkrallen und Undefinierbares, zehn bis 15 verschiedene Gerichte nacheinander auf dem Drehtisch, Schmatzen, Schlürfen, Rülpsen als gute Tischsitte, Naseputzen ist verpönt, man spuckt auf den Boden, Unverdauliches wird unmittelbar ausgespuckt,  „Ganbei“ – mit jedem Anwesenden einmal anstoßen und Leertrinken, meistens mit Bai Jiu 50-70% chinesicher Schnaps, Karaoke bei fortgeschrittener Alkoholisierung.

Heute lernen wir noch, dass Führerschein und Auto nur Funktionären vorbehalten sind. Der Verkehr besteht somit neben den wenigen PKW aus Firmen-LKW, Bussen, Taxen und Heerscharen von Radfahrern und Fußgängern.

Erwähnenswert sind unsere Ausflüge in Begleitung zu Tempeln und weiteren Sehenswürdigkeiten. Gerade dort treffen sich auch Hochzeitsgesellschaften, für die wir Europäer – die Langnasen – offensichtlich so exotisch dreinschauen, dass wir zwingend auf ihre Hochzeitsfotos müssen.

(25.09.1993) Unser Projekteinsatz in der Radio Factory kommt mit einem fein austariertem Memorandum of Understanding zum erfolreichen Abschluss. Pflichtbewußt sprechen wir dem Direktorium und den unmittelbaren Mitarbeitern eine Gegeneinladung in das etwas westlich orientierte Hotel Furama aus. Die über Wochen ertragenen chinesichen Tischsitten kommen diesmal in abschwächter Form zum Tragen. Toasts von allen Seiten mit Ganbei sind Pflicht, was die Stimmung rasch steigert. Pünktlich um 21:30 Uhr ruft Direktor Liu zur Schlusstrinkrunde und beendet die Party abrupt.

Am 27.09.1993 fliegen zurück nach Peking, um in der Siemens-Niederlassung über den Projektabschluss zu berichten.